Äthiopien – kein Fleckchen Land ohne Menschen

Äthiopien könnte unterschiedlicher vom Sudan nicht sein: Man sieht plötzlich wieder Frauen in der Öffentlichkeit. Und sogar unverschleierte. Und man kann nicht mehr mit 90 über die schnurgerade und menschenleere Landstraße düsen, denn plötzlich befinden sich auf der Straße Menschenmassen, Eselskarren, Schaf-, Ziegen- und Rinderherden, Hunde, Hühner und ab und zu auch ein Auto. Und das Land ist auch nicht mehr topfeben

Die Menschen in Äthiopien: unser erster Eindruck: viele, unglaublich viele Menschen gibt es und sie sind immer auf der Straße. Und immer in Bewegung.

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Vor fünf Minuten war dies noch unser absolut menschenleerer Rastplatz fernab jeder Hütte

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Die Hauptstraße nach Gondar

Links und rechts von der Straße wandernde Menschen, nicht nur in den Orten und zwischen einzelnen Dörfern, auch in sehr einsamen Gegenden sehen wir immer wieder wandernde, oft mit schweren Lasten bepackte Menschen. Nur Frauen tragen Lasten. Die (jungen) Männer laufen leichtfüßig daneben.

Rechts und links neben der Straße sind Esel, Kühe und Ziegen. Sie sind ständig in Bewegung. Wir vertrauen darauf, daß die Esel stehen bleiben wenn wir mit 80 km/h vorbeisausen, aber manchmal tun sie es auch nicht und dann ist Vollbremsung angesagt.

Peter fährt vor mir, vor ihm ein Minibus. Der überholt einen mit Stroh beladenen Eselskarren, der ganz rechts neben einem Graben dahinzockelt. Von vorn ein Lkw. Ich fahre mit 80 km/h in 50 Meter Abstand die leicht abschüssige Straße, als Minibus und Peter voll in die Eisen gehen. Meine Räder blockieren. Das drei Tonnen schwere Gefährt schießt auf Peters Rückfront zu. Was tun? Statt auf Peter auf den Eselskarren zusteuern? Bei einer Wucht von immer noch 40 km/h würde das der Esel und wohl auch der Treiber nicht überleben. Also peile ich rechts die Grabenkante an, touchiere mit lautem Knall die Strohladung, der Wagen legt sich leicht schräg nach rechts, aber dann bin ich schon in Höhe des Esels und lenke wieder auf die Straße – wauu, gerade noch mal gut gegangen. Gitte ist bleich geworden. Ich verspreche mir, zukünftig mindestens 100 Meter Abstand zu halten. Ursache war eine Kuh, die seelenruhig die Straße querte.

Heute, am 10. 2. biegen wir von der Landstraße ab. Schotterpiste Grad: Vierradantrieb und Untersetzung. Erster Eindruck: einsames Bergland mit steilen Anstiegen – und dann öffnet sich plötzlich eine fruchtbare dicht besiedelte Landschaft mit ausgesprochen freundlichen Menschen. Kinder, Jugendliche, Frauen mit Babys auf dem Arm und selbst ältere Männer bei der Landarbeit strahlen uns mit offenen Gesichtern an. Wenn wir winken, wird heftig und freudig zurückgewunken. Die Kinder mit lautem Geschrei und die jungen Frauen mit strahlendem Lächeln. Es ist schön!

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Aber wir haben auch die andere Seite von Äthiopien kennen gelernt: aufdringlich bettelnde Kinder, teilweise mit Steinen nach uns werfend. Ich gebe Gas, damit die Scheiben nicht eingeworfen werden. Wir haben den Eindruck, es gibt keine Fläche des Landes, wo nicht Kinder innerhalb von wenigen Minuten zusammenkommen, um uns zu sehen oder auch um uns anzubetteln, selbst in sehr einsamen Bergregionen. Oft ist es lästig, aber außerhalb der größeren Städte sind sie immer freundlich und dankbar. Wir haben 500 Kugelschreiber und andere Geschenke mitgenommen und Gitte verteilt reichlich:

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Die Menschen sind durchweg sehr arm. Sie ernten das Korn auf den Feldern, indem sie die Halme mit den Händen abreißen. Sie dreschen mit Dreschflegeln und werfen das Dreschgut hoch, damit der Wind die Spreu vom Korn trennt. Dann wird das Korn in Säcken auf dem Kopf (von Frauen) ins nächste Dorf getragen oder wer hat auf einem Esel.

Warum sind die Menschen so arm? Das Land breitet sich zum Teil in weiten Hochebenen aus, die m. E. auch fruchtbar sind – und das Land hat riesige Seen. Pumpanlagen und Bewässerungssysteme könnten m. E. für Wohlstand, zumindest für bessere Lebensbedingungen sorgen. Warum nicht? Mit den politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten von Äthiopien und der anderen afrikanischen Länder werde ich mich nach unserer Rückkehr auseinandersetzen und vielleicht und „Wissenswertes“ posten.

Die von uns zu bewältigende Strecke durch Äthiopien ist ca.2.500 km lang. Wir sind insgesamt 10Tage im Land. Die Landschaft ist oftmals beeindruckend schön.

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aber teilweise auch sehr trocken.

Die Straßen wechseln ab von guten Asphaltoberflächen und Schotterpisten bis zu alten Asphaltstraßen mit „Potholes“: Löcher von 60 x 80 cm und bis zu 30 cm tief. Ein Wunder, dass unsere Autos das aushalten, ungebremst mit 80 km/h durch so ein Loch zu fahren. Nach dem ersten Schreck fahren wir Slalom, aber nicht immer gelingt es, den Löchern auszuweichen.

Wir besuchen die alte Kaiserstadt Gondar. Gitte macht sich mutig mit einem klapperigen Tuk Tuk (der Fahrer schiebt es nach jedem Stopp zusammen der drinsitzenden Gitte an) auf Stadtbesichtigung.

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Sie wird im Krankenhaus, in dem ihr erster Ehemann vor 30 Jahren gearbeitet hat, äußerst freundlich empfangen und von einer alten Hebamme, die sich noch an ihn erinnern konnte, überall herumgeführt.

Von Gondar geht es in den Simien Nationalpark auf über 3.800 Meter Höhe. Man nennt dies auch das Dach Afrikas. Eine bizarre Bergwelt mit unglaublichen Schluchten, Abhängen und halsbrecherischen Serpentinen auf schlechtester Piste erwartet uns. Wir sehen Mantelpaviane, einen Steinadler in 10 Meter Entfernung und wunderschöne Steinböcke.

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Wir benötigen für zwei Tage eine Bewachung (Vorschrift)

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Gitte wird plötzlich oben im Park gefordert: Unser Guide kommt mit einer Mutter mit Kleinkind zu unserem Lager. Das Kind hat schlimme eitrige Hautverletzungen. Gitte hat einen großen Arztkoffer mit und behandelt so gut sie es mit den zur Verfügung stehenden Medikamenten kann. Gleich darauf kommt eine zweite Mutter mit einem noch schlimmer aussehenden Kind.

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Überschwänglich wird ihr von allen Dorfbewohnern gedankt. Gitte hat ein schlechtes Gewissen, weil sie weiß, dass eine längerdauernde Behandlung notwendig wäre.

Bei einer Fahrt nach Gondar ist ein Besuch von Lalibela obligatorisch. Die Felsenkirchen sind beeindruckend: die kompletten Kirchengebäude sind aus dem Fels herausgeschlagen worden. Kein Pfeiler, kein Ornament oder Wasserspeier wurde wie bei uns in Europa üblich, angefertigt und eingesetzt, sondern mit dem Gebäude aus dem Fels herausgeschlagen.

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Dieser Felsblock ist eine Kirche mit einem Innenraum von  ca.12 x 12 Metern

Auf dem Weg hat Uwe die erste Reifenpanne. Er muss einen Reifen wegen Materialermüdung wechseln.

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Danach genießen wir noch das Bad in der Menge auf dem Sonntagsmarkt.

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junges Paar beim Marktbesuch

 

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Volker hat für den  letzten Abend in Lalibela einen Tisch bei den „Four Sisters“ reserviert. Wir essen Einheimisches und danach wir noch fröhlich getanzt.

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Wir übernachten am Lake Tana, sehen wir uns die Fälle des blauen Nils an und erreichen einen wunderschönen Lodge Campingplatz am Lake Langano. Am nächsten Tag auf dem Lake Chamo ist eine Bootsfahrt mit eindrucksvollen Tierbeobachtungen im Programm.

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Dann brettern wir 650 Kilometer schlechte Straßen bis Addis Abeba.

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Die Grenzformalitäten aus Äthiopien nach Kenia verlaufen problemlos, aber 500 km Schotterpiste mit 70 km/h und vielen Querrinnen und Verwerfungen fordern das Äußerste von unseren Reifen, Federn und Stoßdämpfern, unseren Wirbelsäulen, der Inneneinrichtung und der Klobefestigung. Jeden Abend nach einer langen Fahrt über entsetzlich staubigen Pisten (wir halten meistens 300 Meter Abstand, weil wir sonst nichts sehen und das Auto nicht atmen kann) wird Gittes Geduld und Gelassenheit auf eine harte Probe gestellt: der Staub dringt durch jede Ritze!

Heute am letzten Tag in Äthiopien passiert noch folgendes: Jörg, unser liebenswerter Schweizer Mitfahrer ist ein äußerst penibler Mensch, insbesondere wenn es um sein Auto geht. Er misst im allgemeinen zweimal am Tag mit zwei unterschiedlichen Manometern den Luftdruck seiner Reifen, vor dem heutigen Tag sogar in der Nacht um drei Uhr, um den richtigen Luftdruck für Asphalt zu haben. Am nächsten Morgen meldet er sich nach zwanzig Kilometer Fahrt über Funk, etwas sei mit seinen Reifen nicht in Ordnung. Wir halten und sehen diese Bescherung:DSC_0003

 

 

Offenbar hatte Jörg in der Nacht das Ventil nicht richtig wieder zugedreht und die Luft war langsam entwichen. Gott sein Dank hat Jörg zwei Ersatzreifen mit.

Toi, toi, toi, bisher hatten wir nach 6.500 km Fahrt durch teilweise sehr raues Gelände noch keinen Plattfuß, abgesehen der Reifen bei Uwe.

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9 Gedanken zu “Äthiopien – kein Fleckchen Land ohne Menschen

  1. Hallöchen Ihr Lieben,
    bei soviel Umsicht, Vorsicht, Sorgfalt, Ausdauer, Optimismus und verdientem Glück kann einfach bei Euch nichts schiefgehen….
    Eine phantastische Erlebnisreise, bei der wir Euch in Gedanken und auf den Landkarten stets begleiten 😎👍….
    Liebe Grüße und weiterhin: „Ohren steif !“
    Rolf & Mariele

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  2. Ich bin völlig fasziniert von der Reise, den Erlebnissen und den tollen Fotos. Vielen Dank, dass ich daran teilhaben darf!!! Viele Grüße aus Mülheim an der Ruhr und weiterhin gute Fahrt!

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  3. Hallo Ihr Lieben!
    Große Freude über ein weiteres Lebenszeichen von Euch, da wir sehr viel an Euch denken und uns dann fragen wo Ihr Euch gerade befindet.
    Lieber Sammi, staune sehr, dass Du uns trotz der anstrengenden Tageskilometer so gut mit interessanten Berichten versorgst. Auch von den Fotos sind wir total begeistert.
    Dank dafür.
    Über Äthiopien erfahren wir sehr viel im FS, Dürre, Hungersnot. Die Bevölkerung hängt am UNHCR-Tropf. Furchtbar!
    Nun, Ihr Lieben, weiterhin alles Gute für die Weiterfahrt, bleibt gesund und laßt Euch umarmen
    Eure I u J G aus Berlin

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  4. Ihr Lieben, mit großem Interesse und großer Bewunderung verfolgen wir Eure Reise. Die Photos sind großartig! Alle guten Wünsche für die Weiterreise!

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  5. Lieber Sammi,
    liebe Gitte,
    ganz tolle Berichte und Bilder. Ich bin absolut neidisch!
    Ich habe schon gerade überlegt, ob wir so etwas mal machen, wenn ich im Ruhestand bin.

    Dir lieber Sammi möchte ich auf diesem herzlich zum Geburtstag gratulieren.
    Bleibe gesund und fit und so unternehmungsfreudig wie bisher.

    Alles Gute und liebe Grüße
    Margit und Klaus

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  6. Lieber Sammi, danke für Deinen für uns letzten Bericht aus Äthopien. Wir sind jetzt in Sydney. Morgen fliegen wir zurück nach Kapstadt. Da wir immer nur sporadisch Internet Kontakt hatten, kann es möglich sein, daß wir weitere Berichte von Euch verpaßten. Wir freuen uns schon sehr auf’s Wiedersehen, denn gegenseitig gibt es sicher viel zu erzählen. Lieben Gruß Dir und Gitte. Margret und Günter

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  7. Liebe Gitte, lieber Sammi,
    wir haben Eure hochinteressanten Berichte und sehr schönen Bilder wieder einmal mit großem Interesse gelesen und angeschaut. Weiterhin gute Fahrt. Wir sind auf die folgenden Reports gespannt.
    Dir, lieber Sammi, gratulieren wir herzlich zu Deinem heutigen Geburtstag, das letzte Bild von Dir mit Bart vor Augen, das einen Fünfzigjährigen abzubilden scheint. Alles Gute, Vor allem Gesundheit und für Euch beide weiterhin gutes Fortkommen auf Eurer abenteuerlichen Reise.
    Liebe Grüße
    Carola und Norbert, 27.2.2016

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  8. Hallöchen Geburtstagskind (noch in der Dekade),
    auch von uns alles Gute für Dich (und Euch . . . ), verbunden mit dem Wunsch, dass Ihr Alle weiterhin mit viel Freude, Geduld, Ausdauer und Durchhaltevermögen Eure tolle Reise fortsetzen möget.
    Liebe heimatliche Grüße hinaus in die andere Welt . . . .
    Rolf und Mariele.

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